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Verfilmung: Carmilla

Im Gothic Reads Buchclub haben wir im Februar als ersten Titel "Carmilla" (Rezension hier) von Sheridan Le Fanu gelesen. Nun habe ich bei EMP die DVD zu einer neuen Verfilmung gewonnen, die im Mai erschien und das ist doch die perfekte Gelegenheit für eine Verfilmungsrezension! 

 

Hier der ausführliche Vergleich - Spoiler voraus für beide! 

 

Die Buchvorlage...

 

Das Buch ist eine Art Tagebuch der 26-jährigen Laura, die berichtet, was geschah, als sie 19 war. Obwohl ihr Vater Engländer ist, spielt die Handlung in einem steyrischen Schloss. Dort lebte Laura mit ihrem Vater und ihrer "good natured, fat, middle-aged, romantic" Gouvernante Madame Perrodon (die Französin ist und nur gebrochen Englisch spricht). Als junge Frau ohne Gleichaltrige langweilt sie sich zu Tode und freut sich daher auf den Besuch von General Spielsdorf und seinem Mündel Mme Rheinfeldt. Letztere erkrankt jedoch und der Besuch wird abgesagt. 

Eines nachts verunglückt eine Frau mit ihrer Tochter mit ihrer Kutsche vor dem Schloss; sie hastet weiter und überlässt das Kind der Fürsorge der Familie. 

Die Mädchen freunden sich schnell an, entwickeln eine intensive Chemie, aber etwas ist seltsam an Carmilla. Träume plagen Laura und sie findet merkwürdige Einstichstellen an ihrem Körper. Nachts verschwindet Carmilla spurlos, tagsüber ist sie erschöpft und ruht. 

Ein fahrender Scherenschleifer bietet Carmilla an, ihre Zähne abzuschleifen, damit sie sich nicht verletzt und sein Hund reagiert heftig auf sie. Als einige Bilder in der Galerie aufgearbeitet werden, entdecken sie auf einem Carmilla, jedoch lautet der Titel "Mircalla Karnstein" und wurde vor hundert Jahren gemalt. 

In der Umgebung werden einige Mädchen krank, sie sind blass und kraftlos. Auch Laura zeigt diese Symptome. Der General kommt doch noch zu Besuch und erzählt von seltsamen Ereignissen. Seine Tochter freundete sich mit einer Millarca an, woraufhin seine Tochter von einem dunklen Gespinst ausgesaugt wurde und verstarb. 

Vater und General öffnen das Grab der Gräfin Karnstein, worin sie Carmilla / Mircalla / Millarca finden - 10cm tief in Blut gebettet und rosiger Gesichtsfarbe. Sie pfählen sie, schlagen den Kopf ab und verbrennen die Überreste. Gründlich! 

Die Verfilmung...

 

beginnt mit einer gelangweilten Lara Bauer, die Steine in einen Teich wirft und zeigt uns dann, wie sie ihre Tage mit ihrer strengen, erzkatholischen Gouvernante Miss Fontaine verbringt. Sie freut sich auf die Ankunft ihrer Freundin Charlotte, endlich ein anderes Mädchen zum Spielen zu haben. Sie ist ein neugieriges Kind und lernt viel, liest Bücher, die nicht schicklich sind, interessiert sich für Anatomie und Krabbelviecher. Jeden Tag bindet ihr Miss Fontaine die linke Hand auf dem Rücken fest, um sie vor dem Teufel (und ihrer Linkshändigkeit) zu schützen. 

Doch Charlotte kommt nicht - stattdessen geschieht in einem Unwetter ein Kutschunfall und eine junge Dame wird zur Erholung im Haus untergebracht - der Kutscher stirbt.

Von da an hat Lara seltsame und visionäre Träume. Zwischen Lara und Carmilla besteht sofort eine Faszination und Anziehungskraft. Sie verbringen ihre Tage und Nächte zusammen, entfliehen Miss Fontaine, schwören sich Blutschwesternschaft und entdecken ihre Sexualität. Der Vater ist auf einer Dienstreise und nur Miss Fontaine und der Dorfarzt Dr. Renquist kommen Carmilla auf die Schliche (Blutspiele, Hexenbücher, Sex, kranke Mädchen).  

Am Ende kehrt Herr Bauer heim, um festzustellen, dass seine Tochter extrem blass geworden ist und Miss Fontaine Carmilla einen Pflock durchs Herz gejagt hat.

Wieder steht Lara am Teich und wirft Steine hinein, doch ihre Spiegelung hat lange rote Haare... 

 

Die beiden Mädels haben wirklich eine großartige Chemie und die minimalistische Kameraführung sorgt für intensive Blicke und Gespräche. Sehr angenehm!

Zudem sind ein paar bekannte Gesichter dabei, u.a. Tobias Menzies, den man inzwischen aus "The Crown" und "Outlander" kennt. 



Wie das Buch ist auch der Film sehr ruhig. Wunderschöne Landschafts- und Momentaufnahmen wurden mit lautstarken Nahaufnahmen von Insekten gemischt. Der Horror ist zunächst sehr subtil und wenn man nicht weiß, worum es geht, könnte man angeödet abschalten - aber so soll es ja sein, denn das vermittelt uns die Langweile einer pubertierenden Frau ohne gleichaltrige Gesellschaft perfekt. 

Ich finde es gut, dass der Horror und die lesbische Geschichte nicht reißerisch aufgebauscht wurden, sondern dem Tenor der Vorlage entsprechen. Allerdings wird durch die extreme Subtilität nicht ganz klar, ob Miss Fontaine und der Arzt nicht nur religiöse Fanatiker sind, die Lara ihre Linkshändigkeit, Fantasie und aufkeimende Sexualität vernichten wollen. 

Leider wurde meine Lieblingsszene mit dem Scherenschleifer, der Carmillas spitze Zähne abstumpfen will, nicht umgesetzt. Aber das war vielleicht einfach zu komisch für die im Film aufgebaute Stimmung. Auch andere Handlungsstränge, die zu Carmillas Grab und spektakulärem Ende führen, wurden ausgelassen. 

Auf den ersten Blick ist die Adaption gut umgesetzt, es wurde sich nah am Originalstoff orientiert. Erst bei genauerem Hinschauen entdeckt man, dass die meisten Namen und einige Details (Carmillas Haare waren braun, nicht rot) angepasst wurden. Minimalistisch umgesetzt, mit so kleinem Cast, dass das Pferd und der Hund gelistet wurden, vermittelt er wunderbar den Horror des Erwachsenwerdens unter restriktiven Bedingungen. Die freundliche Gouvernante wird zur fanatischen Mörderin. 

Insgesamt ist diese Verfilmung mehr Coming-of-Age-Horror als lesbischer Vampirterror, aber dennoch ein prima Grusel ohne eklige Schock-Momente. 


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zuletzt aktualisiert 17.03.2024

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