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PAN Branchentreff 2018

Donnerstag

Die letzten zwei Tage war ich auf dem jährlichen Netzwerktreffen des Phantastischen Autoren Netzwerks (PAN) im Odysseum in Köln. Das Thema dieses Jahr war "Träumen Androiden von Freiheit?: Über Gesellschaft und Politik in der Phantastik", das vielfältig aufgegriffen und lebhaft diskutiert wurde.

 

Ich kam aufgrund meiner Bahn etwas später und verpasste den ersten Vortrag über die Macht der (politischen) Märchen. Da aber meine Begleiter ihn sehr gut und interessant fanden (wenn auch abgelesen und teils monoton) und die Vorträge hinterher meist online gestellt werden, hoffe ich, ihn nachholen zu können.

 

Der zweite Vortrag war dafür ziemlich frei vorgetragen, dazu stark emotional und persönlich aufgebaut. Katja Böhne sprach darüber, wieso bestimmte Dinge nur in der Science Fiction möglich sind und über die visionäre Geisteshaltung des Genres. Da sie nur wenig Fantasy liest, gab es einige Einwände im Publikum, aber die Rednerin war so putzig und aufgeschlossen, dass sich alle schnell einig wurden. Unglaublich, dass sich jemand für diese Szene interessiert und noch nie Neil Gaiman gelesen hat.

 

Nach einer kurzen Frühstückspause ging es weiter mit einer ersten Podiumsdiskussion zum Thema Comics und Graphic Novels. Bei dieser Diskussion hat mich Sarah Burrini mit ihren Aussagen immer wieder fasziniert:

"Es ist immer wieder interessant, wie Worte/Begriffe versuchen, eine Realität zu erschaffen, aber die Substanz dahinter zurückbleibt."

"Comic ist ein Medium, kein Genre - ebenso wie Hörbücher & Filme, daher ist es unpassend, dass Ralf König neben Asterix steht"

(ergänzt von Laura Dümpelfeld, der das Publikumsmikro an der Hand "festklebte")

 

Während der Mittagspause hatte ich eine klassische Klobegegnung: ich befand mich im Gespräch mit meiner lieben Kollegin/Chefin Kathrin (die am Freitag ihre Introvertiertheit bei einer Podiumsdiskussion bekämpfte), als Lena Falkenhagen (Organisatorin und allgemein bekannte Dame der Szene) freudestrahlend auf mich zukam und mich begrüßte. Meine erste Verwirrung legte sich, als wir feststellten, dass sie mich mit unserer anderen neuen Mitarbeiterin Friederike verwechselte. Ganz die Netzwerkerin, schaffte sie es, die Szene zu retten und meinen vollständigen Namen von meinem Schild abzulesen, ohne zu ersticken. Eine wirklich nette, fröhliche Person, mit der man gerne plaudert.

 

Besonders interessant war die Abschlussdiskussion. Thema war die Diversität (ein Wort, das der Moderator trotz Ablesen nicht aussprechen konnte) und Repräsentation in Fantasy- und SciFi-Romanen. Auf der Bühne saßen 2 Autorinnen, 1 Bloggerin, 1 "straight white male" sowie 1 Autor mit ägyptischen Wurzeln. Da auch das Publikum ausschließlich aus weißen Fantasten bestand, drehte sich die Diskussion größtenteils um die Repräsentation von LGBT+ Charakteren und der Definition weiblicher Stärke, als um Charaktere mit anderen ethnischen Hintergründen.

 

Der einzige Wermutstropfen waren zwei Damen in der letzten Reihe, die ununterbrochen miteinander tratschten. Ja, das ist ein Netzwerktreffen, aber andere wollen die Vorträge hören. Dass eine von ihnen ihre Schuhe auszog und ihre Füße auf den Stuhl vor sich legte, war auch nicht so sexy. Der arme Mann neben den Füßen sah auch nicht begeistert aus. Am Ende des Tages war die Reihe vor ihnen auch komplett leergeräumt.

Allgemein scheinen wir eine sehr bequeme Branche zu sein; eine Kollegin sitzt im Meeting grundsätzlich in Jogginghose und Flauschsocken und Grit Richter (die ich ohne ihre Pfauenwimpern fast nicht erkannte) tänzelte barfuß am Buffet entlang.

 

Freitag

Auch Freitag verpasse ich aufgrund der Bahn die ersten Vorträge und schaffe es erst zur ersten Kaffeepause ins Odysseum. Dafür ist mein erster Punkt des Tages gleich wahnsinnig interessant: Lena Falkenhagen diskutiert mit dem Publikum mit Ralph Neugebauer, Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, die amerikanische und deutsche Meinungs- und Kunstfreiheit. Bei der Fragerunde tut mir der arme Richter etwas leid, denn auf alle Fragen kann er nur antworten "Das kann man so pauschal nicht sagen, ich würde davon abraten, aber solange Sie niemand verklagt, ist alles ok."

 

Als nächstes klärte uns Tommy Krappweis auf höchst amüsante Weise darüber auf, dass jemand, der einen Thor-Hammer trägt, nicht zwangsläufig ein Nazi ist, sondern dass das Symbol erheblich älter ist. Interessanterweise scheine ich aus der richtigen Szene zu kommen, denn ich denke bei dem Symbol an "Asatru" und nicht "Nazi". Der Vortrag basierte auf diesem Facebook-Beitrag, ergänzt wurde er von Bernd das Brot als Charlie Chaplin als Hitler sowie dem Dunning Kruger Blues, beides zum Schreien komisch. Ich muss wohl künftig häufiger zu Tommys Lesungen gehen!

 

Während der Mittagspause haben Kathrin und ich uns bewusst getrennt, um ein wenig zu netzwerken (AAHH! Fremde Menschen!) und tatsächlich habe ich sehr nette Unterhaltungen mit Prof. Lars Schmeink und seiner Ehefrau sowie Autorin Amandara Schulzke geführt und schließlich Visitenkarten getauscht.

 

Nach der Mittagspause mussten sich Samira Blankestijn und Simon Czaplok einem Youtube-unwilligen Publikum stellen und ihnen genau dieses Medium näherbringen. Es war auch nicht mein Thema, aber nach dem Essen zum Verdauen war keine allzu schwere Kost hilfreich.

 

Schließlich das Highlight (für mich) der ganzen Konferenz: Christian von Aster sprach über die Leidenschaft zum Schreiben und den Willen, auch Projekte umzusetzen, die einen nicht reich machen. Interessant, das von jemandem zu hören, der sowohl bei Klett-Cotta veröffentlich hat, als auch winzige limitierte Elfenbüchlein in Heimarbeit herstellt. Eine fantastische Rede über die Liebe zur eigenen Kunst:

"Wenn du etwas machen willst, frag nicht nach Geld, frag nicht nach Erlaubnis. Wenn du etwas machen willst, dann mach!"

Anschließend diskutierten 5 Verlagsmitarbeiter und Autoren (u.a. unsere liebe Kathrin) über genau dieses Thema - inwiefern ein Verlag bei der Kostenkalkulation auf den Profit schauen muss und wie viel Spielraum es gibt, Herzensprojekte umzusetzen. Sandra Rothmund von Thienemann sagte hierzu, dass es immer einen Spitzentitel gäbe, der besonder stark beworben wird, dass sie inzwischen aber immer ein Buch einbringen dürfe, das ihr am Herzen liegt - absonderliche Titel, die zwar verschiedene Preise gewonnen, aber kein breites Publikum gefunden haben. Kathrin betonte, dass auch Bücher, die Geld reinbringen, nicht automatisch Schund sind.

 

Dann folgte zwangsläufig der vorläufige Abschluss dieser großartigen Konferenz. Samstags gibt es zwar noch einige Workshops, an denen nehmen aber viele Verlagsmitarbeiter nicht mehr teil, da sie hauptsächlich Themen für Autoren aufbereiten.

 

Insgesamt eine wirklich tolle Veranstaltung, bei der Gleichgesinnte zwei Tage lang in aller Ruhe fachsimpeln und netzwerken können und sogar ein Kai Meyer unbehelligt seinem Tagewerk nachgehen kann, ohne von Fans belagert zu werden. Super entspannt!

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zuletzt aktualisiert 21.04.2024

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